20 Jahre Intelligence Crew
Nach
aufwendiger Recherche ist es uns gelungen, den ehemaligen Besitzer des
seit 1995 nicht mehr existenten und damals einzigen EDV-Ladengeschäfts eines
seit 1975 eingemeindeten Vororts einer unbedeutenden niederrheinischen
Großstadt aufzufinden. Rentner Erwin K. betreibt heute aus einem alten
und in bereits abblätterndem Laubgrün lackierten DKW Schnellaster heraus
eine Imbissbude auf dem Parkplatz neben der evangelischen Güterstation
in Kalkar. Erwin K. ist einer der letzten Zeitzeugen, der die Anfänge
der zu Recht so unbekannt gebliebenen Demogruppe Intelligence Crew
hautnah miterleben durfte, und weiß uns zu berichten:
"Ja, Günter, bin gleich bei Dir, einen Moment, ich geb den Jungs gerad noch'n Interview. Wat soll ich sagen, dat Schnitzel Mailand kostet aber vierachtzich. N' Pilsken dabei?"
Wir weisen Erwin K. freundlich darauf hin, dass das von uns bestellte Schnitzel Mailand auf einem an der fettigen Rückwand des DKW prangenden und daher ohne Zutun von Klebeband haltendem Schild mit 4,20 Euro beworben wird. Der etwas untersetzte Imbissbudenbesitzer antwortet daraufhin schmunzelnd:
"Ach nee, da hab ich mich wohl wieder vertan. Kost vierachtzich. Ja, mit dem Computerladen, dat war ne schöne Zeit. Rechner im Ort an die ahnungslosen Kleinbetriebe verkloppt, bis Escom, Vobis und Comtech in der Innenstadt die Preise kaputtmachten. Da war vorbei."
Wie hat er die Zeit erlebt, als die beiden neunzehnjährigen Abiturienten, die man heute selbst unter ihren Alias Slartibartfast und Blastermaster nicht mehr kennt, schüchtern seinen Laden betraten, um ihm die auf einer Diskette mitgebrachte IC-Demo anzubieten.
"Hörn'se, da standen eines Tages, war wohl so September 94, die beiden Typen da im Laden. Der eine war so'n Unrasierter, der trug'n Iron Maiden-Shirt und kaputte Jeans. Der andere war so'n bisschen ruhiger Pummeliger mit Brille, dem wohl noch die Mutter die Klamotten kaufte. Kann ich nich' haben, sowas. Und dann der bescheuerte Name von die beiden, irgendwas mit Intelligenz! Haha! Drückten mir die Diskette in die Hand, wär'n Demo drauf oder sowas, sollte ich vorne im Fenster zeigen. Die war'n darauf echt stolz, aber ich hab da eh nich' reingeguckt. Die ham was von Assembly in Helsinki und so erzählt, aber wat hab ich denn mit Thailand zu tun?"
Mit einem wissenden Lächeln versuchen wir uns vorzustellen, dass dieser unscheinbare Imbissbudenbesitzer damals den Lauf der Geschichte hätte ändern können, wenn er den bescheidenen Wunsch der beiden Hobbyprogrammierer erhört hätte. Ob er hätte erahnen können, dass der so progressive Minimalismus der vergessenen IC-Demo heute in einem Atemzug mit Bauhaus und dem deutschen Werkbund genannt wird?
"Nee, is klar. Früher, also ganz früher, da war ich ja auch mal Koch. Also, wenn Ihr mal'n eingelechtes Schteg mit Zwiebel ham wollt, ruft einen Tag vorher an. Dann mach ich Euch dat so rischtig lecker."Freundlich lächelnd lehnen wir das Angebot gedanklich ab und lassen unauffällig die Reste des Schnitzels Mailand sowie den dieses begleitenden und mit ein wenig Pommes Frites drapierten Berg Mayonnaise in den am DKW lehnenden blauen Müllsack verschwinden.
"Den einen Pummeligen, den hab ich dann vor ein paar Jahren da in Oberhausen auf'm Konzert von Iron Maiden gesehen. Wat aber mit dem anderen is, keine Ahnung, der war nich dabei."Die Wege der beiden so enthusiastisch gestarteten Nerds der Intelligence Crew verloren sich nach 1994 alsbald in den Weiten der Arbeitswelt; in Weiten, wie sie bereits prophetisch das dreidimensionale Sternenfeld der bisher noch nie gepriesenen IC-Demo zeigte, während unter Einfluss von Tabakqualm und Gerstensaft entstandene Zeilen wie "Intel rules the world" in sanfter Bewegung im von Slartibartfast liebevoll in Deluxe Paint 2 gezeichneten Schriftfont über den unteren Rand des in 360 mal 480 Pixeln dargestellten VGA-Bildschirminhalts scrollten. 20 Jahre Intelligence Crew wollen gewürdigt werden.
"Hör mal, dat Bier kost aber zwofuffzich."Hmm, auf dem Schild stehen 2 Euro für das kleine König Pilsener, geben wir mahnend zu bedenken. Rentner Erwin K. lächelt milde. Während er weiterhin seine karge Rente durch tatkräftigen Einsatz im Gastronomiebereich aufbessert, denken wir an die unsere Protagonisten aus der Demoszene, deren Teil zu werden ihnen nie vergönnt war. Was hätte alles passieren können, wäre das im 286er Maschinencode hastig programmierte Meisterwerk im unscheinbaren Schaufenster des kleinen Computerkrauters dargeboten worden. Wir werden es leider nie erfahren.
"So Günter, nu hab ich Zeit. Wieder Tschevapschischibrötchen mit nem Kurzen dabei?"
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